Braujahr und Brausilvester: die Zeiten des Bierbrauens
In einigen Teilen Europas bezeichnet der Begriff „Braujahr“ das Produktionsjahr in der Brauereibranche, das nicht dem klassischen Kalenderjahr entspricht, sondern vom 1. Oktober bis zum 30. September des Folgejahres dauert. Der 30. September wurde daher als Brausilvester gefeiert.
Der Brauch des Brausilvesters hat seine Wurzeln im Mittelalter. In dieser Zeit war die Brausaison streng geregelt, beginnend am 29. September, dem Tag des heiligen Michael, und endend am 23. April, dem Tag des heiligen Georg. Während dieser Periode war der Bierverkauf erlaubt, das eigentliche Brauen jedoch untersagt. Dies resultierte aus den fehlenden Kühltechnologien jener Zeit – steigende Temperaturen während der warmen Monate führten zu einer schnelleren Gärung des Bieres, begleitet von unerwünschten Geschmacksveränderungen aufgrund der Hefeaktivität. Somit war die Qualität des Bieres beeinträchtigt. Die Braumeister warteten sehnsüchtig auf das Brausilvester, an dem die Produktion mit frischen Hopfen- und Getreideernten wieder aufgenommen werden durfte. Dies läutete den Beginn einer neuen Brausaison ein und versprach wieder frisches und hochwertiges Bier. Später wurde der Start des Braujahres auf den 1. Oktober verlegt, und der 30. September wurde als Brausilvester gefeiert.
Wie Temperaturen das traditionelle Bierbrauen lenkten
Die Temperatur spielt eine entscheidende Rolle beim Bierbrauen, da die Hefe den Zucker im Bier bei bestimmten Temperaturen in Alkohol umwandelt. Früher wurden obergärige und untergärige Hefekulturen gemischt, da es keine Reinzuchthefe gab. Die Jahreszeiten bestimmten die Temperaturen, was die Kontrolle über die aktiven Hefen während des Gärprozesses einschränkte.
Obergärige Hefen bevorzugten Temperaturen zwischen 15 und 25 °C, während untergärige Hefen zwischen 6 und 12 °C optimal arbeiteten. Wenn die Außentemperaturen über 20 °C stiegen, hatten Braumeister Probleme, da selbst obergärige Hefen ohne Kühlung nicht mehr effektiv arbeiten konnten. Das stoppte den Gärprozess. Vor der Einführung von Kälteanlagen in den 1870er-Jahren konnte untergäriges Bier in einigen Regionen nur während der kalten Jahreszeit hergestellt werden. Traditionell reichte die Brausaison vom 29. September (Michaelstag) bis zum 23. April (Georgstag).
Das Ende des Brauverbots
1865 wurde das Biersatzregulativ aufgehoben und das Sommerbrauverbot beendet, was zu einem enormen Anstieg des Eisbedarfs führte. Die Beschaffung von Natureis wurde schwieriger, da die Nachfrage zwischen 1846 und 1868 um ein Vielfaches stieg und hohe Kosten verursachte. Carl von Linde, der als Professor am Polytechnikum in München tätig war, entwickelte theoretische Arbeiten über Eis- und Kühlmaschinen. Diese Arbeit weckte das Interesse von Sedlmayr, der gemeinsam mit Linde die erste Kältemaschine für Bier in Betrieb nahm. Die Erfindung der Kältemaschine in den 1880er-Jahren ermöglichte die ganzjährige Herstellung von Bier bei konstanten Temperaturen, wodurch die Verbreitung der untergärigen Biersorten stark vorangetrieben wurde. Das Brausilvester, das zuvor wichtig war, verlor an Bedeutung, da nun das ganze Jahr über Bier hergestellt werden konnte.
Einige Brauereien behielten jedoch das Brausilvester bei und schlossen ihr Geschäftsjahr nicht am 31. Dezember, sondern am 30. September ab. Auch heute noch wird das Brausilvester von einigen Brauern und Wirten gefeiert und wurde im Lauf der Jahrhunderte zum lieb gewonnenen Brauchtum. In Österreich wurde daraus sogar ein offizieller Staatsfeiertag: der „Tag des österreichischen Bieres“.